Donnerstag, 10. Mai 2012

Kawasaki W800 - Zwischenbericht nach 6000 km

Meine Kawasaki W800 ist nach Erstzulassung nun genau 1 Jahr alt und ich kann nach 6000 km Gesamtleistung auf dem Tachometer so kurz vor der nächsten Inspektion mein erstes Resümee ziehen:

Sehr schönes, Alltags und Touren taugliches, leicht handlebares Moped das bis auf Öl nachfüllen und Kette schmieren einwandfrei funktioniert hat und sich spielend leicht fahren lässt. Also auch etwas für weibliche Schrauberlegasteniker wie mich.

Ich persönlich finde die etwas weiche Abstimmung des Fahrwerkes ganz angenehm. Im Gegensatz zu meinem anderen Gefährt werden Unebenheiten sehr komfortabel geschluckt.
Dies habe ich auf diversen Kopfsteinpflasterstrassen über Land ausgiebig getestet und war sehr positiv überrascht zu mal es ich ja bei der W nicht um eine Enduro handelt. Jedoch sollte man vorhaben, auch mal recht flott über grosse Bodenwellen zu fahren oder stärker bremsen zu müssen, so taucht die Gabel schonmal recht tief ein.

Ich persönlich habe es mit meiner Kraft in Händen nicht geschafft die Vorderradbremse zum blockieren zu bringen. Das möge man positiv oder negativ sehen, bedeutet aber eine doch recht grosse Kraftaufwendung auf den Bremshebel um das Krad stark abzubremsen. Dies fällt einem noch stärker auf, wenn man wie ich, auch noch ein Fahrzeug mit ABS und Bremskraftverstärker besitzt.

Die Sitzhöhe ist zuweilen für Personen unter 168 cm einwenig zu hoch, um mit beiden Beinen bequem auf den Boden zu kommen. Selbst mit einer Stiefelerhöhung von 6 cm habe ich trotz alledem bereits eine merklich abgeriebene Stelle der linken Luftfilterverkleidung, da dieser doch recht weit nach aussen reicht und man mit dem Bein dort unweigerlich  vorbei muss und aufsitzt. Da hilft es auch nicht, wenn die Sitzbank doch recht schmal geschnitten ist.
Diesen schmalen Schnitt und die unzureichende Härte der Sitzbank halte ich für den grössten Killer auf langen Strecken.
Auf den ersten Blick sehr bequem entpuppt er sich auf langen Strecken als Folterwerkzeug, dass vorne und an den Seiten drückt und man das Gefühl hat auf dem Rahmen aufzusitzen.

Die verzwickt verbaute Batterie zwang mich zu einer Bordsteckdose, die für kleines Geld und bei dem Verkaufspreis auch gerne vom Hersteller hätte spendiert werden können. Ebenso hat man an weiteren Kleinigkeiten gespart, wie Vibrationsdämpfer an den Spiegeln oder einer Abdeckung für die Einspitzanlage.

Diese Einspritzanlage hat mich bisher nur 2x in einen kurzen Schockzustand versetzt, als beim Starten die F1 Lampe aufleuchtete und die Maschine aus unerfindlichen Gründen nicht an sprang. Nach 15 Sekunden warten und erneutem Versuch war dann alles wieder ok  - aber so ist das mit der Elektronik - man kann selber nichts machen und einen Kicker hat die Maschine nicht mehr.

Auch möchte die W800 ganz gerne vor dem Losfahren im kalten Zustand zwei Minuten warmlaufen, sonst dreht sie das Standgas in der Zeit selber so hoch ein, dass ein langsames kontrolliertes Losfahren beispielsweise aus einer Tiefgarage mit steiler Rampe zum Abenteuer werden kann. Ich habe aber festgestellt dass sich diese "Mucken" mit zunehmender Laufleistung gebessert haben. Das mag aber vielleicht auch an dem Öl liegen das ich seit kurzem verwende und das mir subjektiv auch ein leichtgängigeres Schalten vermittelt.
( Castrol Öl Grand Prix ) Jedoch den Übergang zwischen dem ersten und dem zweiten Gang finde ich immer noch einwenig fummelig - man landet recht schnell einfach im Leerlauf, wenn man den Heben mit dem Fuss nicht beherzt nach oben zieht. Dadurch dass die W800 Luftgekühlt ist, mag sie an heißen Tagen keine Stundenlangen Stop and GOs durch die Stadt bei denen man längere Zeit die Kupplung gezogen hält. Irgendwann überhitzt er so, dass die Gänge gar nicht mehr rein wollen.
Aus diesen Gründen halte ich die W800 für Kurzstecken und auch für den Stadtverkehr als nur bedingt erbaulich für den Fahrer.

Als sehr angenehm empfinde ich, das man bei diesem Bike selbst ohne Scheibe keine langen Arme bekommt. Die Wohlfühlgeschwindigkeit ist durch seine Bauweise irgendetwas bis max 140 km/h auf der Autobahn und bis 120km/h auf der Landstraße. Darüberhinaus hat man das Gefühl dass eine gewisse Instabilität in das Fahrwerk kommt.
Auch würde ich den Bremsen darüber hinaus nicht mehr vertrauen. Eine Tuningmassnahme hinsichtlich der Federung, der Bremsbeläge, der Bremsscheiben aber auch der Bremsleitungen auf Stahlflex wird beim Fahrer sicherlich ein selbstbewussteres Gefühl hinterlassen.

Die einen sagen ja die W800 ist weder ein modernes Motorrad noch ein echter Oldtimer hat damit in gewisser Weise sicherlich recht.
Die W wendet sich an den Nostalgie verliebten Fahrer, der sich vor der Schrauberei an einem echten alten Engländer scheut, dem die Enfield zu viel und die Triumph Bonneville zu wenig Charakter hat und an den, der einfach ein stilvolles unproblematisches Krad sucht, das auch eine gute Basis für einen Cafe Racer Umbau mitbringt.
Neulich habe ich einen ganz interessanten Vergleich gehört, der es wohl ganz gut trifft. "Eine W800 ist wie ein Morgan Plus 8, der nie ein Oldtimer war  und der es auch nie werden wird, da er von den 30 er Jahren bis heute unverändert gebaut wird. Er ist und bleibt aber ein schönes Auto  - und das stimmt ja wohl ;-) "

Wer eine Wollmilchsau fahren möchte, wird auch nach allen Tuning und Verbesserungsmaßnahmen nicht zur W800 greifen, sondern sich, wie die vielen anderen zig Tausend Käufer an der BMW GS versuchen. Ebenso ist das Konzept der W wahrscheinlich eher etwas für die älteren Semester ( über 35 ), die schon etwas abgeklärteren Gemüter und natürlich etwas für Frauen.

Mein Resüme nach 6000 km:  das Grinsen aus dem Gesicht ist immer noch nicht verschwunden und so darf die kleine, wenn sie so brav bleibt noch lange meine Garage zieren und mich auf meinen Ausflügen begleiten.
Ich habe planmässig eine Inspektion machen lassen. Hierbei ist ein Ölwechsel vorgesehen - Kosten um die 90.-€ ohne Öl.

3 Kommentare:

  1. Leider kenne ich weder diese Seite, noch die Verfasserin des Berichtes, jedoch hat sie mir völlig aus dem Herzen geschrieben, auch wenn ich mein grünes "Babe" erst 1.500 km gefahren bin. Es stimmt aber auch alles, was die Dame hier schreibt. Gern würde ich mit ihr in Kontakt treten

    AntwortenLöschen
  2. Hallo anonymer Leser. Schön dass ich dir aus dem Herzen spreche. Mit mir in Kontakt kann man über die facebookgruppe Kawasaki W650/W800 Deutschland treten , über den monatlichen Hamburg Stammtisch und über das W-Forum. Auch dort bin ich unter adagio zu finden.

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Adagio,
    im W-Forum habe ich mich erst vor kurzem angemeldet, obwohl ich bereits seit 2011 eine W 800 fahre. Zur Zeit bin ich noch nicht ganz 10000 km gefahren. Ich kann alle deine Fahreindrücke bzw. Beoachtungen bestätigen! Ich bin selbst auch nur 168 cm groß (klein) und fahre die W vor allem wegen der niedrigen Sitzhöhe, weil ich mit zunehmendem Alter (56) eben nicht mehr so beweglich bin wie früher. Da ich keine längeren Touren (Südtirol o.ä.) mehr mache, sind die "gefühlten" Einschränkungen der Langstreckentauglichkeit (Sitzbank, Tankinhalt könnte größer sein) für mich nicht wichtig. Ich will die W auf jeden Fall noch länger fahren. Hanns

    AntwortenLöschen